Zahl der Gewalttaten gegen Geflüchtete ist weiter auf hohem Niveau
Amadeu-Antonio-Stiftung verzeichnet zwischen 2015 und 2019 mehr als 11.200 Fälle rechter Gewalt gegen Schutzsuchende. Die Statistik des BKA ist demnach unvollständig.
Die Gewalt gegen Geflüchtete in Deutschland befindet sich weiter auf einem hohen Niveau. Das geht aus der Langzeitauswertung Leben in Gefahr der Amadeu-Antonio-Stiftung hervor. Zwischen Anfang 2015 und Ende 2019 kam es demnach zu insgesamt 11.257 Fällen von Gewalt (10.908 Übergriffe und 349 Verdachtsfälle), die in der Chronik flüchtlingsfeindlicher Vorfälle von Pro Asyl und der Amadeu-Antonio-Stiftung dokumentiert sind. Darunter 267 Brandanschläge, 1.895 Körperverletzungen und 8.765 sonstige Übergriffe, dazu zählen unter anderem versuchte Körperverletzungen und rassistische Schmierereien.
Rassismus und Antisemitismus seien die Motive, heißt es in einem Geleitwort des Verbandes der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) zu der Auswertung – "sowohl in der rassistischen Straßengewalt ab 2014 als auch im Rechtsterrorismus von Kassel, Halle und Hanau". Die Täterinnen und Täter inszenierten sich als Verteidiger eines vermeintlich durch Einwanderung existenziell bedrohten Deutschlands.
Die Monate von Herbst 2015 bis Sommer 2016 waren der Auswertung zufolge besonders gewaltsam. In Sachsen – laut Amadeu-Antonio-Stiftung das für Geflüchtete gefährlichste Bundesland – kam es im Jahr 2015 zu 25 Brandanschläge, 64 Körperverletzungen und 162 sonstigen Übergriffen. 2016 waren es 15 Brandanschläge, 104 Körperverletzungen und 346 sonstige Übergriffe. Als Ausgangspunkt der Pegida-Bewegung sei Dresden "das Epizentrum der bundesweiten Hetzkampagne gegen Geflüchtete".
Im Verhältnis zur Zahl seiner 2,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner verzeichnete Brandenburg im untersuchten Zeitraum die meisten Übergriffe auf Asylsuchende: 1.212, Verdachtsfälle und Kundgebungen nicht miteinbezogen. Schwerpunktregionen rechter Gewalt sind demnach unter anderem Cottbus und die Uckermark.
Während die Öffentlichkeit vor allem auf die organisierte Rechte in den Ostländern schaue, existiere auch in Baden-Württemberg "seit Jahrzehnten weitgehend unbehelligt" eine rechte Szene, heißt es. Im Rems-Murr-Kreis kam es demnach 2015 landesweit zu den meisten Übergriffen auf Geflüchtete, darunter ein Brandanschlag auf eine geplante Asylunterkunft. Am Neujahrsmorgen 2019 legten Unbekannte im selben Landkreis Feuer auf dem Balkon eines Hauses, in dem eine geflüchtete Familie lebte.
Bundesweit war die Zahl der Übergriffe im Jahr 2019 rückläufig – nur Nordrhein-Westfalen verzeichnete der Auswertung zufolge mehr Angriffe als im Vorjahr. Am 9. Oktober etwa – dem Tag des Anschlags von Halle – schossen Unbekannte in Zülpich auf ein Fenster eines Hauses, in dem eine geflüchtete Familie lebte. Verletzt wurde niemand.
Für 2020 zählt die Stiftung bislang 1.700 Fälle, zehn mehr als das Bundeskriminalamt. Die Zahlen seien aber noch nicht vollständig überprüft.